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Man sollte schon genau nachrechen bei seinen Versicherungspolicen.

Teure, aber sinnlose Versicherungen

Versicherer sind sehr fantasievoll, wenn es um die Prämien ihrer Kunden geht. Ihre Angebote klingen verführerisch - und sind oft völlig unnötig.

Verheiratete Leser oder solche, die Freunde kurz vor deren Hochzeit erlebt haben, dürften das Gefühl ziemlich genau kennen:Der schönste Tag des Lebens – das behaupten zumindest alle – rückt näher, das Brautpaar selbst wird aber mit jedem Tag nervöser, statt in Vorfreude zu schwelgen. Tausend Dinge sind noch zu erledigen. Was, wenn etwas schiefgeht? Auf gar keinen Fall darf die Traumparty ins Wasser fallen!

Wie gut, dass es in einer solchen Situation Versicherungen gibt, die sich der Brautleute beruhigend annehmen. Die Hanse-Merkur beispielsweise, die zwischen 47 und 510 Euro für ihre Dienste verlangt, oder die Helvetia, die ab 239 Euro kostet. Für dieses Sümmchen verkaufen sie eine Hochzeitsversicherung, die den großen Tag gegen fast alle erdenklichen Unglücksfälle absichert. Die Helfer zahlen zum Beispiel, wenn die Trauung platzt, wenn der Bräutigam einen Blinddarmdurchbruch hat oder die Braut einen verknacksten Fuß. Je nach Prämie erhält das Paar in einem solchen Fall zwischen 2500 und 25.000 Euro.

Solche Policen sind nicht nur skurril, sondern auch ziemlich unnötig. Das Risiko, dass die beschriebenen Unfälle ausgerechnet kurz vor der Hochzeit passieren, ist doch sehr gering. Und wenn wirklich der schlimmste aller Fälle eintreten sollte und Braut oder Bräutigam im letzten Moment einen Rückzieher machen, hat der sitzengelassene Partner sowieso das Nachsehen. Auch finanziell. Denn so was zahlt bislang keine Versicherung.

Ähnlich unnötig und ein wenig absurd ist die Knöllchenversicherung. „Die brauche ich auch. Hatte da gerade ein Erlebnis an einer Baustelle in Köln. Aber wahrscheinlich zahlt die ja nicht rückwirkend“, scherzt Lilo Blunck, Geschäftsführerin des Bundes der Versicherten.

Kein Scherz: Vor etwa zweieinhalb Jahren ging ein solches Angebot der Supergau Consulting AG aus Liechtenstein durch alle Medien. Besitzer der „Supergau Crazy Card“ erhielten die Kosten für Radarstrafen erstattet – aber nur unter so strengen Bedingungen, dass sich die Police kaum lohnte. Ohnehin hatten die Karteninhaber nicht lange Freude daran. Verkauf und Vertrieb der Karte wurde vom Liechtensteiner Amt für Volkswirtschaft untersagt.

Andere Policen sind weniger skurril. Doch auch sie bringen den Versicherten kaum etwas, erhöhen aber natürlich die Provision der Versicherungsvertreter und die Margen der Versicherungsgesellschaften. Sieben Beispiele:

  • Die Insassenunfallversicherung: Sie bringt dem normalen Autofahrer gar nichts. Denn Fahrer und Mitfahrer sind mit einer eigenen Unfallversicherung immer besser bedient. Zusätzlich sichert sie die Kfz-Haftpflicht gegen durch den Fahrer verursachte Schäden. Blunck: „Am 30.11. ist der Stichtag für den Wechsel der Kfz-Versicherung. Da wird die Insassenunfallversicherung gerne angeboten, sie ist allerdings unnötig.“
  • Die Glasbruchversicherung: Sie wird gerne als Ergänzung zur Hausratversicherung angeboten, ist aber nicht nötig. Denn ein gebrochenes Fenster kostet zwar Geld, ist aber längst nicht so teuer, dass es die finanzielle Existenz raubt. Besser ist es, die Prämien zu sparen, und im Schadensfall selbst zu zahlen.
  • Die Reisegepäckversicherung: Sie zahlt nur im Extremfall, nämlich „wenn man sich den Koffer um den Hals bindet, sich gleichzeitig draufsetzt oder eine Hand drauf hält und der Koffer dann gestohlen wird“, beschreibt Versicherungsfachfrau Blunck. „Ich wollte mal bei einer Versicherungsgesellschaft nachfragen, ob es auch in Ordnung ist, wenn der Hund auf dem Koffer sitzt. Aber wahrscheinlich funktioniert das in meinem Fall nicht. Mein Labrador ist ziemlich friedfertig.“
  • Die Kapitallebensversicherung: Ein berühmt-berüchtigte Versicherung ist die Kapitallebensversicherung, nach Zahlen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft mit etwa 42 Millionen Verträgen ein beliebtes Produkt der Branche. Lilo Blunck hat dazu eine eindeutige Meinung: „Die Kapitallebensversicherung ist intransparent. Sie koppelt eine zu niedrige Leistung im Todesfall zu teuer mit einem Ansparziel. Besser ist es, Anspar- und Versicherungsziele getrennt zu verfolgen.“
  • Die Sterbegeldversicherung: Sie floriert vor allem im Herbst. Blunck: „Gerade um Allerheiligen und den Volkstrauertag herum bedrängen einige Versicherungsvertreter in unangenehmer Weise alte Menschen, eine Sterbegeldversicherung abzuschließen, damit sie nicht mit ihrem Tod Kinder oder Enkelkinder belasten würden.“ Besser wäre es, das Geld auf dem Sparbuch anzulegen oder zu lassen.
  • Die Restschuldversicherung: Sie wird gerne bei Ratenkrediten angeboten, mit denen beispielsweise Haushaltsgeräte finanziert werden, Waschmaschinen oder Ähnliches. Auch von ihnen rät Blunck ab: „Sie sind meist eine unnötige Geldausgabe. Nur bei einer langjährigen und teuren Baufinanzierung machen sie Sinn.“ Genauso unnötig sind Arbeitslosen- oder Arbeitsunfähigkeitsversicherungen, die ebenfalls häufig zusammen mit Ratenkrediten verkauft werden.
  • Die ambulante Krankenzusatzversicherung: Sie leistet als Ergänzungsversicherung für die Leistungen beim Arzt, Heilpraktiker oder Therapeuten. Blunck: „Nur in Ausnahmefällen – wenn etwa Wert auf die Bezahlung des Heilpraktikers gelegt wird – macht die Krankenzusatzversicherung für ambulante Leistungen Sinn.“


Natürlich gibt es auch Versicherungen, zu denen die Verbraucherschützer dringend raten. Wer nicht genau weiß, ob er (oder sie) eine Police wirklich braucht, sollte sich folgende Richtschnur zu Herzen nehmen: Existenzielle Risiken, die im Schadensfall den finanziellen Ruin bedeuten, müssen versichert werden. Nötig sind demnach eine Krankenversicherung, eine Berufsunfähigkeitsversicherung und eine Haftpflichtversicherung.

Zusätzlich empfehlen Verbraucherschützer, sich gegen Unfälle abzusichern. Familien mit Kindern und hohen Kreditschulden sollten daneben eine Risikolebensversicherung abschließen, Immobilieneigentümer die Wohngebäudeversicherung. Bei teurem Inventar kommt eventuell auch eine Hausratversicherung in Betracht. Nicht alle andere Versicherungen sind absolut sinnlos. Aber vor ihnen sollten immer diese existenziell notwendigen Versicherungen abgeschlossen werden.

Eines aber darf man nicht vergessen: Nicht jedes Risiko lässt sich versichern. Wie jenes, dass die Braut doch plötzlich „Nein“ sagt. 

Link-/Literaturtipps:
Gut und günstig versichert (PDF): Der Bund der Versicherten bietet eine kleine, kostenlose Broschüre, welche kurz und knapp über wichtige und unnötige Versicherungen informiert.

Ratgeber: Richtig gut versichert: Ein richtig guter Ratgeber der Zeitschrift Finanztest ist „Richtig gut versichert“ für 12,90 Euro zuzüglich Versandkosten.

Dieser Artikel direkt bei Zeit.de anschauen. Dieser Artikel erschien bei Zeit_online im Oktober 2006. Für Zeit_online schrieb das Journalistenbüro Artikel in den Ressorts Finanzen und Reise.