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Blockchain in der Immobilienbranche: Es gibt viele Ansätze.

​Immobilienanwendungen mit der Blockchain

Bei der Übertragung von Eigentumsrechten im Zuge von Immobilieninvestmens, dem Grundbucheintrag oder gar bei dem Aufsetzen von Verträgen könnte die Blockchain zum Einsatz kommen. Aber nicht immer halten die Ideen der harten IT-Realität stand – ein Praxischeck. Blockchain Teil 2: Blockchain-Ideen rund um die Immobilie im Praxischeck.

-> Teil 1 dieses Beitrags zur Blockchain in der Immobilienbranche

„Mit Smart Contracts könnten – so die Vision – durch bestimmte Aktionen direkte Transaktionen ausgelöst werden“, beschreibt Michael Kubach, Experte für die Blockchain am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, die Vision auch für eine Blockchain in der Immobilienbranche. „Diese Idee schafft neue interessante Anwendungsfälle.“ Das Web ist dabei voll von Ideen, international wird viel über die Blockchain und vor allem ihre Potenziale diskutiert. Bei genauerem Hinschauen sind viele Ideen aber noch weit von einer Massenmarkttauglichkeit entfernt.

Immobilieninvestments sind umstritten

Beispiel Immobilieninvestments: Besonders stark beteiligen sich an der Blockchain-Idee insbesondere Immobilienfonds, vor allem geschlossene Fondskonstruktionen. Das Unternehmen Exporo bietet so eine ganze Reihe von Immobilienobjekten an, an denen sich Anleger ab einer Summe von 1.000 Euro beteiligen können. Klickown offeriert eine Beteiligung an einem Wohnhaus in Lüneburg ab 10 Euro. Die Fundament Group wiederum setzt nicht nur auf eine Immobilie, sondern auf ein Portefolio, ist also ein offener Immobilienfonds – der „tokenisiert“ ist. Bloxxter wiederum erlaubt Investments ab 500 Euro an einem Objekt in Berlin. Black Manga Capital Partners möchte ebenfalls Anlegern ab 500 Euro die Beteiligung an einer Berliner Wohnimmobilie ermöglichen. Technisch realisiert wird das über sogenannten Security Token, die wiederum die Kryptowährung Ethereum besonders attraktiv macht. (siehe Kasten)

Zwischen vier und sieben Prozent Rendite versprechen die Firmen für das Investment, in Zeiten von Niedrigzinsen klingt das recht attraktiv. Geworben wird mit einem einfachen Onlinekauf des Anteils, mit wenigen Klicks steht der Deal. Die Anbieter werben häufig mit den geringen Transaktionskosten – was aber nichts über die womöglich dennoch hohen Verwaltungskosten aussagt. Und natürlich gilt die alte Investmentregel: Hohe Renditen erkauft man sich durch hohes Risiko.

So ist auch die Art des Investments an sich mindestens umstritten. Denn häufig hält der Anleger keine 1A-Rechte an der mit dem Token erworbenen Immobilie, sondern muss sich mit einem hinteren Besicherungsrang im Grundbuch begnügen, was bei einem Total- oder Teilausfall konkret bedeutet, dass er vermutlich sein Geld nie wieder sieht. Denn: Den gut besicherten Rang belegt eigentlich immer ein Bankdarlehen, welches letztendlich auch bedient und mit-bezahlt werden muss.

Totalausfall kann Anlage vernichten

Dass ein Totalausfall der Anlage nicht ein rein hypothetisches Risiko ist, zeigte jüngst der Entwickler Exporo: Zwei der Projekte in Hessen mussten Insolvenz anmelden, der Gesamtschaden für die Anleger beläuft sich auf voraussichtlich vier Millionen Euro – ohne Chance auf Kompensation. Umso wichtiger ist es, bei geschlossenen Immobilienfonds auf einen guten Anbieter und eine gute Immobilie zu achten – die Schwesterpublikation kapital markt-intern beschäftigt sich intensiv mit dieser Analyse.

Angesichts dessen sollte die Verwendung der Blockchain bei solchen Käufen nicht den Blick auf das konkrete Produkt verdecken. Experte Viktor Weber, Digitalisierungsberater und Gründer des Future Real Estate Institute in Regensburg, fällt so über diesen Blockchain-Anwendungsfall ein vernichtendes Urteil: „Das ist eher Marketing.“

Dr. Michael Kubach, Experte für die Blockchain am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, gibt so auch zu Bedenken: „Je digitaler eine bestimmte Aktion bereits jetzt schon ist, desto einfacher lässt sie sich auch in die Blockchain transferieren.“ Bei einem so hoch komplexen Vorgang wie einem neuen Investment in eine Immobilie erscheint das schwierig. „Hingegen könnte bei der reinen Neuverpackung etwa von bestehenden Eigentumsrechten etwa im Rahmen von Banktransaktionen die Blockchain gut eingesetzt werden.“ Das sind dann aber Fälle, in denen der Privatanleger keine Rolle spielt.

„Je wichtiger die Schnittstelle zwischen der realen und der virtuellen Welt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch Intermediäre eingeschaltet werden“, ist Kubach so überzeugt. „Denn dass zum Beispiel Künstliche Intelligenz völlig autonom, richtige und rechtssichere Aussagen zum Beispiel über einen Immobilienwert einer konkreten Immobilie macht, ist derzeit unwahrscheinlich.“

Sprich: Der Einsatz der hippen Blockchain-Technologie im Bereich von Fondskonstruktionen wirkt in vielen Fällen mehr wie der Versuch, die Vermarktung zu beflügeln – technisch zwingend notwendig erscheint das nicht.

Marktplätze sind auch hier eher ein Versprechen

Denn auch die Handelbarkeit der Anteile an einem solchen grauen Kapitalmarkt bleibt weiterhin ein Problem – auch wenn die Blockchain prinzipiell den Handel erleichtern würde: So werden zum Beispiel die verschiedenen Kryptowährungen bereits über ganz reguläre Plattformen gehandelt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es auch für die sogenannten Security Token mit den hinterlegten Immobilienwerten tatsächlich einen Zweitmarkt geben wird.

Bisher ist das eher vage Zukunftsmusik, zumal auch heute schon bei ganz klassisch vertriebenen geschlossenen Fonds kaum Zweitmarktmöglichkeiten bestehen – und wenn, dann nur mit hohen Verlusten für den Verkäufer. So könnte auch der Weiterverkauf von Security Token schlicht daran scheitern, dass es dafür kaum Käuferinteresse gibt. Der Anleger bleibt also ganz klassisch auf Gedeih und Verderb an seiner einmal getroffenen Anlageentscheidung gebunden. Die Digitalisierung seiner Anlage ändert daran nichts.

Blockchain als Boost für die Digitalsierung?

Neben den Immobilieninvestments werden auch immer wieder weitere Anwendungsfälle für die Blockchain zitiert: So ist es denkbar, dass an sie grundbuchähnliche Aufgaben, also die sichere Verwaltung von Eigentumsrechte, übertragen werden. Auch der transparente Austausch von Immobiliendaten wird häufig diskutiert. Schließlich auch der Einsatz von Smart Contracts etwa für Mietverträge, die aber auch noch viele Hürden zu bewältigen haben, aber dennoch nach einer sinnvollen Vision klingen (→ siehe Teil 1 dieser Artikeserie in Ausgabe xx/xx immobilien markt-intern).

„Technisch ist die Blockchain als Konzept für die Herstellung von Vertrauen in Transaktionen interessant“, beschreibt so Experte Kubach. „Mit Smart Contracts könnten – so die Vision – durch bestimmte Aktionen direkte Transaktionen ausgelöst werden. Diese Idee schafft neue interessante Anwendungsfälle.“

Beispiel Grundbuch und Eigentumsrechnungen

Aber den technischen Möglichkeiten stehen auch hier oft inhaltliche Sinnhaftigkeiten entgegen. Stichwort Grundbuch: „In der westlichen Welt gibt es ein gut funktionierendes und etabliertes System an Grundstücksrechten“, so Weber. „Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, dieses durch die Blockchain zu ersetzen.“ Vielmehr solle man das Grundbuch digitalisieren, auf hohe Sicherheitsstandards, Verschlüsselung sowie intelligentes Backuping setzen und eine gute Nutzerschnittstelle für berechtigte Interesse entwickeln. „Dazu bedarf es jedoch keiner Blockchain“, so Weber.

Und selbst den hier oft zitierten Anwendungsfall, bei dem über die Blockchain manipulationssicher Eigentumsrechte gespeichert werden, unabhängig von diktatorischen Machthabern oder korrupten Rechtssystemen, sieht er kritisch: „Was bringt es mir, wenn in der Blockchain mein Grundstücksrecht zweifelsfrei festgehalten ist, wenn ich es aufgrund des staatlichen Rahmens dennoch nicht durchsetzen kann“, fragt Weber. Zudem sei diese Datenmigration keinesfalls trivial und äußerst fehleranfällig. „Das ist also, neben der Frage nach der Sinnhaftigkeit und Praktikabilität, auch ein extrem fehleranfälliges Unterfangen“, so Weber.

Immobilienmarkttransparenz in Deutschland eher unerwünscht

Gleiches gilt für die Idee, ähnlich wie mit dem MLS-System in den USA für hohe Transparenz von Immobilienwerten über die Blockchain zu sorgen. Bei diesem Multiple Listing Service kooperieren die angeschlossenen US-Makler und vernetzen ihre Daten. Es ermöglicht so auch einen schnellen Zugriff auf potenzielle Verkaufsobjekte.

„Zwar wäre in vielen Bereichen eine höhere Transparenz wünschenswert, zum Beispiel, was die Bewertung von Immobilien betrifft“, so Weber. „Allerdings ist das derzeit im deutschen Markt zumindest unrealistisch, da viele Unternehmen die Hoheit über die eigenen Daten als einen Wettbewerbsvorteil betrachten.“ Zudem gibt es hier zahlreiche etablierte Services, die verschiedene Marktbewertungen kostenpflichtig anbieten. Und wieder stellt sich hier zusätzlich die Frage, ob dafür so zwingend die Blockchain erforderlich ist.

Die Experten Weber und Kubach unterstützen dabei ausdrücklich sinnvolle Realexperimente mit der Blockchain, denn nur so kann ihre Praxistauglichkeit auch wirklich erforscht werden. Aber: „Es gibt sehr viele Demos und Überlegungen, aber wirklich produktiv kommt die Blockchain oftmals noch nicht zum Einsatz“, fasst Kubach zusammen.

„Ich sehe für Blockchains in der Immobilienbranche kurzfristig eher ein geringes Potenzial, da sie oftmals nicht die einfachste Lösung für ein Problem darstellen und es zudem noch deutlich mehr Grundlagenforschung bedarf“, zieht so Experte Weber ein Fazit. „Langfristig könnten sich aber sehr interessante Anwendungsfälle in der Prozessautomatisierung und Dokumentation mit Hilfe von Smarten Verträgen ergeben.“

Begrifflichkeiten rund um die Kryptowährung

  • Ethereum: Nach Bitcoin ist Ethereum das Blockchain-Bezahlsystem mit der zweitgrößten Marktkapitalisierung. Ethereum wurde Ende 2013 gegründet. Verwaltet wird hier die Kryptowährung Ether. Wie bei Bitcoin auch, ist der Wert des Ether großen Schwankungen ausgesetzt. Anders, als Bitcoin, ermöglicht Ethereum aber sogenannte Smart Contracts, also automatisiert abgehandelte vertragliche Vereinbarungen über die Blockchain.
  • Security Token: Security Token in der Blockchain Ethereum – nicht zu verwechseln mit Security Token, die zum Beispiel hardwarebasiert eine Authentifizierung für einen Computer ermöglichen – sind im Prinzip solche Smart Contracts, die auf Ethereum und anderen Blockchains basieren. Dabei wird ein Coin Ether verwendet, um darauf eine Anweisung zu packen, eine Art App, die eigene Funktionalitäten hat. Der Security Token verhält sich dabei von seiner Anlage her wie ein Wertpapier. An ihn ist ein Gewinnversprechen gekoppelt. Dabei ist es völlig irrelevant, wie viel Wert ein Ether hat. Da die Grundlage für zum Beispiel Immobilieninvestments über die Blockchain solche Token sind, spricht man auch von einer Tokenisierung der Immobilie.
  • Security Token Offers (STO): Vergleichbar mit dem dem Gang eines Unternehmens auf das Börsenparkett, stellt er STO ein öffentliches Angebot zum Kauf von Security Token dar.

r immobilien intern verfasst der Immobilien-Journalist Jörg Stroisch regelmäßig sehr umfangreiche Spezial-Artikel. Dieser Artikel ist dort im Frühjahr 2020 erschienen.